Mittwoch, 8. Dezember 2004

Frankreich, Frankreich! - Halbzeit!



Seit drei Monaten bin ich jetzt schon hier in den französischen Alpen, sodass schon die Hälfte meines Aufenthalts vorbei ist. Einerseits freue ich mich schon auf die Rückkehr nach Deutschland, finde es aber auch schade das es nur noch 3 Monate sind, die mir noch bleiben.
Im Rückblick auf die bisherige Zeit kann ich sagen, dass die ersten beiden Monate für mich relativ schwer waren, da ich zum einen (natürlich) sprachliche Probleme hatte und mich zweitens in einem völlig fremden Umfeld einleben musste. Da die Leute aber alle sehr offen waren und auf mich zugingen, konnte ich relativ schnell Kontakte knüpfen, was es mir natürlich mich hier einzuleben. Außer meinem Austauschpartner Julien war es vor allem Marc-Alexandre Davies, ein Klassenkamerad aus der 1ère L, der stets versuchte mir zu helfen, mich mit anderen Leuten bekannt machte und sich mit mir unterhielt, was er auch jetzt tut.
Vor allem die anfängliche Sprachblockade war etwas nervig, da ich teilweise wie ein Ochs vorm Berg stand, da mir ständig Vokabeln fehlten. Natürlich lernen wir in der Schule immer brav unsere Vokabeln, doch weil wir nur ein Bruchteil von ihnen im Unterricht gebrauchen, vergisst man den Rest sowieso wieder. Dieses Problem hat sich aber nun merklich verbessert, denn mittlerweile spreche ich spontan und ohne dabei an die deutsche Übersetzung zu denken.
Insgesamt gesehen, kann ich wirklich auf eine angenehme erste Hälfte meines Austausches zurückschauen. Nun aber zu den Ereignissen des Monats November.

November


Am Donnerstag den 4. November begann, nach eineinhalb Wochen Herbstferien, wieder der Schulalltag.
Den darauf folgenden Donnerstag, also der 11. November, hatten wir dann aber schon wieder schulfrei, da Feiertag war, der sich „Armistice 1918“ (armistice: Waffenstillstand) nennt. Dieser Tag erinnert an den Waffenstillstand von 1918 und an die vielen französischen Soldaten, die in diesem unbarmherzigen Krieg ihr Leben ließen. Im ganzen Land werden Blumen an den Soldatendenkmälern niedergelegt, von denen es fast in jedem Ort eines gibt.
Am Abend des 22. Novembers, einem Montag, kamen dann meine Eltern, was eine völlige Überraschung für mich, aber auch für Claude, Julien und Juliette war. Meine „Alten“ hatten spontan entschieden die 950 km von Kassel bis hier nach Notre Dame de Vaulx auf sich zu nehmen, da ich am 23. November meinen 16. Geburtstag feierte.
Am Tag darauf, meinem Geburtstag, hatte ich nur Vormittagsschule, denn (glücklicherweise) war der Sportlehrer nicht da, sodass ich schon mittags fertig war. Vorher hatten mir ein paar Leute aus dem Deutschkurs sogar ein Ständchen auf Deutsch gesungen, und das fast ohne Fehler. Während es in Deutschland im November meist grau, verregnet und kalt war, hatten wir schon hier Spätsommerwetter mit angenehmen 16°C und strahlendem Sonnenschein, sodass wir am Lac von Laffrey ein Picknick machen konnten. Abends haben wir, d.h. meine Eltern, meine Gastfamilie und ich, noch schön zusammen gegessen. Später kam dann auch noch mal kurz Marc-Alexandre, ein Kumpel aus meiner Klasse, vorbei, der auch bei mir im Dorf wohnt.
Da meine Eltern Grenoble noch nicht kannten, fuhr ich mit ihnen und Juliette, die Schwester von Julien, am Nachmittag des 24. November in die Stadt. Das Wetter war immer noch bombastisch und man spürte nicht, dass es bereits Ende November war. Die Gegend steht im Herbst oft noch längere Zeit im Einfluss des Mittelmeeres, das ja „nur“ 200 km entfernt ist.
Am 25. November besuchte ich das Nationalmuseum der französischen Revolution, das sich nur 10 km von meinem Wohnort befindet. Zu meiner großen Überraschung musste dort kein Eintrittsgeld bezahlt werden, da die Gesamte Einrichtung vom Staat subventioniert wird. Im Inneren gibt es aber außer Gemälden und Büsten kaum etwas zu sehen, sodass die Ausstellung recht eintönig ist. Allerdings gab es dort den Originaltext der Erklärung der Menschenrechte vom 26. August 1789 (Der Text kann unter „Französische Menschenrechtserklärung“ eingesehen werden). Das Museum an sich ist im „Chateau de Vizille“ untergebracht, das einmal Charles de Gaulle gehörte. Er bekam diesen Bau nach der Befreiung des Landes nach dem 2. Weltkrieg vom französischen Volk geschenkt, doch er gab es mit einer noblen Geste wieder zurück. Heute befinden sich neben dem Museum auch Teile der Stadtverwaltung in dem 1600 bis 1619 erbautem Schloss mit seiner großen, nach englischem Vorbild gestalteten Parkanlage.

Lyon – zweitgrößte Metropole Frankreichs


Der abschleißende Höhepunkt des Monats war ein Ausflug nach Lyon, mit etwa 4 Millionen Einwohnern ist die Metropole, am Zusammenfluss von Rhône und Saône, die zweitgrößte Stadt Frankreichs. Diese Stadt ist wirklich beeindruckend und auf jeden Fall sehenswert.
Der Innenstadtkern ist zweigeteilt. Es gibt zum einen die Halbinsel zwischen den beiden Flüssen, auf der es hauptsächlich große Mietshäuser aus dem 18. und 19. Jahrhundert gibt. Dort befindet sich ebenfalls die riesige Fußgängerzone und der „Place Belecour“, der zu den größten Plätzen Europas zählt.
Westlich davon am anderen Ufer der Saône gibt es einen noch älteren Stadtkern, der durch eher kleiner Häuser geprägt ist. In diesem „Vieux Lyon“ genannten Stadtteil, finden sich auch die charakteristischen „Traboules“, Durchgänge im Inneren von Gebäuden. Da Lyon einmal das Zentrum der französischen Seidenindustrie war und dort in großem Stil Stoffe gewoben und gefärbt wurden, die nicht Nass werden durften, konstruierten die Einwohner solche Gänge um sich und die kostbare Seide vor der Witterung zu schützen. Dieses Luxusgewerbe verschuf der Stadt einen enormen Reichtum, der auch heute noch weithin sichtbar ist. So gibt es neben den vielen oft reich verzierten Privatgebäuden unzählige alte öffentliche Gebäude, wie etwa das riesige Krankenhaus ein Theater eine alte Oper ein historisches Kunstmuseum. Was mich persönlich aber am meisten beeindruckt hat sind die unzähligen Kirchen und eine riesige Kathedrale, sowie eine aus strahlend weißem Kalkstein erbaute Basilika, die ich besichtigte. Als ich in das Innere eintrat verschlug es mir die Sprache – der gesamte Fußboden, Wände und Decken waren mit unzähligen filigranen Mosaiken bedeckt. Ich habe noch nie etwas Vergleichbares gesehen, wie wahrscheinlich auch die 40 Japaner, die den etwas abgedunkelten Bau mit dem Blitzlichtgewitter ihrer Fotoausrüstung erhellten.
Die Stadt ist quasi die kleine Schwester von Paris und versucht diese wohl auch zu imitieren. So gibt es gleich einige hundert Meter neben der Basilika einen Funkturm, der wie eine Miniausgabe des Pariser Eifelturms aussieht. Nachts bietet die Stadt ebenfalls ein einzigartiges Schauspiel – einige historische Gebäude, Kirchen und Brücken werden angestrahlt.
An diesem Tag kam aus dem Staunen nicht mehr hinaus und kann wirklich Jedem, der mal nach Frankreich fahren will, neben Paris auch einen Besuch in Lyon empfehlen.

So, das war’s auch erst mal. Nächste Woche besuche ich ja wie bereits angekündigt das Konzert von Sinsemilia, worauf ich mich schon freue.
Ich sag’ jetzt erst mal Tschüss und melde mich dann Anfang 2005 wieder.
Ich grüße alle Leute die mich kenne und wünsche euch/Ihnen eine besinnliche Adventszeit, ein schönes Weihnachtsfest und schon mal einen guten Rutsch ins neue Jahr 2005!

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