Dienstag, 16. November 2004

Frankreich, Frankreich! Mes deux premiers mois à l’Isère



L'école

„Der Spieler mit der Nummer 9 nutzt geschickt die Lücke im Mittelfeld des Gegners und passt geschickt auf die Nummer 11, den Rechtsaußen in der Dreiersturmkette. Oh…ein gravierender Fehler in der Abwehrkette der Spieler mit den blauen Trikots… Der Ball wird nun vom Linksaußen angenommen und SCHUSS! Da ist der Torwart machtlos und das Ding ist im Kasten! TOOOR! TOOOR!...“

Nein, ich sitze weder in einem Fußballstadion noch vor dem Fernseher, um mir das Debakel PSG Paris gegen Chelsy anzugucken - Es ist Montag. Um es genau zu sagen, es ist Montag, der 9. November 2004, punkt 10 Uhr. Vor 10 Minuten hat im „Lycée Polyvalent de la Mure“ die Pause angefangen und ich stehe neben einem der zwei Kicker im Aufenthaltsraum, dem sogenannten „Foyer“. Hier werden in den Pausen leidenschaftliche Spiele ausgetragen und auch in den Freistunden kann man sich hier prächtig amüsieren, wenn man diese unterrichtsfreie Zeit nicht im CDI (einer Art Bücherei) oder der „Permanence“ verbringt.

Kaum hat man sich versehen, sind auch schon zwei Monate meines Frankreichaufenthaltes vorbei. Mittlerweile habe ich mich hier gut eingelebt und meine Sprachfähigkeiten haben sich entschieden verbessert. Zu Beginn des Austauschs hatte ich das Gefühl, wie ein Ochs vorm Berg zu stehen, da mir oft nicht das passende Vokabular einfiel. Das hat sich mittlerweile geändert und ich mache Fortschritte im Sprechen, wobei ich sagen muss, dass es mir leichter fällt, die Franzosen zu verstehen, als selber Sätze zu formulieren. Doch ich kann schon gut mit meinen Klassenkameraden kommunizieren und wir haben viel Spaß. Ich habe mich schnell in ihre Gemeinschaft eingefügt und wurde sehr gut in der Klasse aufgenommen. Außerdem konnte ich meinen Wortschatz bereits um viele schöne ausdrucksstarke Wendungen, die unter den Jugendlichen kursieren, erweitern, die man im Unterricht nicht lernt  ( und die meinem Französischlehrer wohl auch nicht sehr gefallen würden). In der Schule fühle ich mich sehr wohl, da alle von Anfang an sehr offen und freundlich auf mich zugegangen sind. Das gleiche habe ich natürlich auch vom ersten Tag an getan.
Ich möchte allerdings sagen, dass ich froh bin, kein französischer Schüler zu sein, denn die Schule nimmt hier wirklich den ganzen Tag ein und Hausaufgaben gibt es dann noch als Sahnehäubchen oben drauf, wenn auch nicht in dem Maße wie in Deutschland. Außerschulische Aktivitäten haben nur wenig Platz im Alltag eines französischen Jugendlichen.

Auch wenn ich dreimal in der Woche schon früher mit dem Unterricht fertig bin, habe ich nicht die Möglichkeit nach Hause zu fahren. Bei uns ist es kein Problem mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu fahren, mindestens alle 20 Minuten fährt eine Straßenbahn und es gibt stündliche oder halbstündliche Busverbindungen. Von dieser Mobilität musste ich mich hier erst einmal verabschieden, denn hier gibt es nur den einen Schulbus, der mich und 40 andere Schüler in meinen kleinen Wohnort bringt. Der öffentliche Nahverkehr ist hier bei weitem nicht so ausgeprägt wie bei uns. Also bleibe ich im Lycée und mache bereits dort meine Hausaufgaben oder ich spiele „baby-foot“, so nennen die Franzosen einen Kicker oder ich gehe mit ein paar Leuten in das 5 Minuten Fußmarsch entfernte Zentrum von „La Mure“.

In der Schule verstehe ich jeden Tag ein bisschen mehr und habe bereits die ersten Arbeiten hinter mir, die aber nicht in allen Fächern benotet werden, da es relativ schwierig, um nicht zu sagen fast unmöglich ist, eine Synthese zu einem bestimmten Thema zu schreiben. Außerdem besuche ich hier die Jahrgangsstufe 11, in Deutschland bin ich erst in der 10. Klasse. Da es in Französisch selbst für die hiesigen Schüler schwer ist, die alten literarischen Texte zu verstehen, bekomme ich von der Lehrerin spezielle Aufgaben, wie beispielsweise das Verfassen eines Briefes (kann in der französischen Version eingesehen werden) oder erweiternde Aufgaben zur französischen Grammatik.

Der Deutschunterricht macht mir sehr viel Spaß, da ich oft neue französische Vokabeln kennen lerne. Die Lehrerin, eine Deutsche die seit 6 Jahren in Frankreich lebt, bemüht sich redlich, mich und die andere deutsche Austauschschülerin in den Unterricht mit einzubeziehen. Wir machen die Aufgaben oft in Französisch, da wir ja hier sind, um diese Sprache zu lernen. Außerdem veranstaltet Mme Fourchot jeden Mittwoch eine freiwillige Stunde für die mündliche Ausdrucksweise, die in einem sehr kleinen Kreis von etwa 6 Leuten stattfindet. Die Franzosen sprechen Deutsch und wir Französisch, das ist immer eine sehr lockere Runde.

Les vacances, le passe-temps


Die von allen lange erwarteten Ferien fingen am Freitag den 22. Oktober an. Englisch war die letzte Stunde vor der Erlösung. Mein Sitznachbar, Fabien Bussac aus meiner Klasse schaute schon alle 2 Minuten auf die Uhr, die die Zeit quälend langsam zu vergehen lasses schien. Als es dann um 15 Uhr endlich klingelte sprangen alle erleichtert auf und verließen das Lycée, die letzten beiden Stunden waren frei. Vive les vacances!
Eigentlich wollte ich mit meiner Gastfamilie in de Ferien nach Paris fahren, dort hätten wir bei den Großeltern wohnen können, doch daraus wurde leider nichts. Einen Tag vor dem Ferienbeginn ist unsere Heizung kaputt gegangen. Sie zu reparieren dauerte zwei Tage, da der gesamte Heizkessel ersetzt durch einen teuren neuen werden musste – Paris fiel also ins Wasser. Das war aber nicht so schlimm, denn wir hatten hier fast die ganze Zeit Superwetter – bis zu 18 Grad, was auf 1000 Metern Höhe Ende Oktober eigentlich unüblich ist. Ich habe unter anderen zwei Radtouren gemacht, eine in der näheren Umgebung und eine andere mit einer Strecke von 45 Kilometern. In der Nähe gibt es, wie ich schon in meinem ersten Bericht erwähnt habe einen Nebenfluss der Isère, die wiederum ein Nebenfluss der Rhône ist, an dem man oberhalb auf einer Straße entlangfahren kann. Das war eine wunderschöne Strecke, auch wenn sie wegen der vielen Anstiege relativ anstrengend ist. Außerdem habe ich mich öfters mit einem Kumpel aus meiner Klasse getroffen, der im selben Ort wohnt wie ich.
Am letzten Ferienwochenende sind wir, d.h. Julien, seine Schwester und ich, mit 15 anderen Leuten aus dem Lycée nach Grenoble gefahren und haben dir ein Spiel Namens „Lasergame“ gespielt. Was das ist? Diese Art von Spiel unterscheidet sich nicht viel vom beliebten Paintballschießen. Es gibt zwei Gruppen, die in einer Abgedunkelten, mit Schwarzlicht beleuchteten Fabrikhalle umherlaufen und versuchen müssen den Mitgliedern des „Feindes“ so viele Treffer wie möglich zu verpassen. Das macht total Spaß und ist bei den Jugendlichen in der Umgebung sehr bliebt. Die Inhaber drei Junge Männer haben mit diesem Angebot, das in dieser Art einmalig in Frankreich ist, einen Riesenerfolg, der ihnen sicherlich auch einen guten Gewinn beschert. So, das war es erst einmal zu den Ferien.

Ende November Anfang, Dezember wird hier die Saison beginnen, denn bis dahin wird (hoffentlich) schon Schnee liegen, sodass die Lifte aufmachen können. Ich habe zwar keine eigenen Skier, was jedoch kein Problem ist da hier (logischerweise) fast jeder Ski fährt und meine Gastfamilie mindestens 5 oder 6 Paar Brettern hat. Drauf freue ich mich jetzt schon riesig.
Schon jetzt ist es sehr kalt (nachts bis -5 Grad) Der Schnee bleibt aber nur auf den Bergen liegen, da es im Tal noch zu warm ist. Ein weiteres Ereignis auf das ich hinfiebere ist ein Konzert der französischen Reggaegruppe „Sinsemilia“, von dem ich euch bestimmt berichten werde.
So, jetzt aber erst einmal Tschüss und vielen Dank für die Lektüre dieses doch etwas langen Textes.

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