Freitag, 24. September 2004

Frankreich, Frankreich! - Die Erste

Baguette, Wein, Froschschenkel - Rousseau, Napoleon, De Gaulle - Renault, Citroen, Peugeot

Am 28. August bin ich hier in „Notre Dame de Vaulx“ einem Bergdorf in den Französischen Alpen, 30 Kilometer von Grenoble entfernt, ange- kommen. Der kleine gemütliche Ort mit einer Poststelle, einer Metzgerei, einer „épicerie“ und einem recht ansehlichem „Café tabac“ liegt auf etwa 1000 m am Hang des „Connex“ (2700 Meter Hoch). Die Häuser drängen sich eng aneinander, denn im Winter sinken die Temperaturen bis auf klirrende minus 25 Grad, während im Sommer die Sonne die Luft bei 35 Grad zum Flimmern bringt. Diesen extremen Wetterbedingungen verdankt die Region ihren ungewöhnlichen Spitz- nahmen, so spricht man auch von „Kleinsibirien“, wenn die Gegend Südlich von Grenoble meint.
Noch bis in die 70er und 80er Jahre hinein war rund um La Mure, einer Kleinstadt elf Kilometer von meinem Wohnort entfernt, der Steinkohle- abbau die Hauptbeschäftigungsquelle. Doch, durch die Konkurrenz aus Nordamerika und Russland, wurde der Grubenbetrieb mehr und mehr zu einem unlukrativen Geschäft. Es war unmöglich mit den Großexporteuren mitzuhalten. Der schwierige Abbau in bis zu 600 Metern Tiefe war zu teuer. So schloss eine Mine nach der anderen, bis Mitte der 80er Jahre der Bergbau endgültig beendet wurde. Viele der arbeitslosen „Kumpel“ wanderten ab, es wurden kaum noch Kinder geboren, was zur Folge hatte das der Anteil der Alten Menschen drastisch hoch war. Doch im letzten Jahrzehnt entspannte sich die Lage dann zunehmend. In Grenoble siedel- ten sich große Telekommunikationsunternehmen und Hersteller von Elektronikgeräten an. Überdies ist Grenoble, mit seinem großen Nuklear- forschungszentrum, ein wichtiger Wissenschaftsstandort auf dem Gebiet der Atomarforschung. Zudem ist auch der Tourismus zu einem wichtigen Wirtschaftspfeiler geworden, denn die Französischen Alpen gelten nicht umsonst als eines der Gebiete mit der schönsten Berglandschaften. Grenoble wird auch als Herz der Alpen bezeichnet.

Nun aber zu mir – In dem kleinen Ort hat sich die Ankunft des „étranger“ natürlich schnell herumgesprochen, bin ich doch zusätzlich ein Schüler aus dem Nachbarland Deutschland, auf das nicht alle Franzosen gut zu sprechen sind. Doch mit befürchteter Ablehnung oder Vorurteilen wurde ich bis jetzt noch nicht konfrontiert – warum auch, wir sind nicht für die Geschehnisse vor 60 Jahren verantwortlich. Alle begegnen mir sehr offen und freundlich, ob Jugendliche oder die meist älteren Nachbarn. Vielleicht waren meine Ängste auch unbegründet.
Um die wunderschöne Bergwelt zu entdecken, fuhr ich mit meiner Gastfamilie mit einer Schmalspurbahn, die früher zum Kohlentransport diente. Die Strecke führt von La Mure bis nach ?---? oberhalb des „Drac“, einem Zufluss der Isère entlang. Der Fluss mit seinem türkisenen Wasser bahnt sich den Weg durch das felsige Tal und wird an einigen Stellen zur Energiegewinnung aufgestaut. Eine Landschaft die man sonst nur in Reisekatalogen sieht.

Am 3. Septembers fing war Schulbeginn. Mit meinem Austauschpartner Julien Perotin besuche ich das „Lycée Polyvalent de La Mure“, das, wie der Name schon sagt in der Kleinstadt „La Mure“ (übersetzt: Brombere) liegt.
Doch um mich dort anzumelden musste ich erst einmal den Kampf gegen den unförmigen Formularwust des französischen Schulsystems über- stehen. Bewaffnet mit Stift und Wörterbuch zog ich in den Kampf – Name, Adresse, Geburtstag, Telefonnummer, Sozialversicherungsnummer, Impf- nachweise, Beruf der Eltern, Stammbaum der letzten 4 Generationen, Durchmesser des Zehs, Anzahl der Haare. Unterschrift und Fingerabdruck dort, Speichelprobe für DNA-Muster bitte hier hinterlassen…
Ganz so schlimm war es dann doch nicht, aber dennoch war ich über die Vielzahl von Einverständniserklärungen und Formularen erstaunt, gilt doch Deutschland als wuchernder Bürokratiedschungel.

Das Frühstück am ersten Schultag fiel, wie bereits erwartet, sehr spärlich aus. Um 7.15 Uhr kommt der Bus der uns nach La Mure brachte. Anders als in Deutschland gibt es hier kein weit verzweigtes Netz öffentlicher Verkehrsmittel, geschweige denn regelmäßige Verbindungen in die größeren Städte. Dieser Schulbus ist die einzige Möglichkeit um nach la Mure zu kommen, da hat man schon ein gewaltiges Problem, wenn man den verpasst.
Erster Schultag nach zwei Monaten Ferien, das heißt, dass man viele Freunde wieder sieht. Also „Salut!“ hier, „Ca va?“ dort, Küsschen da Küsschen dort, „Salut! Wie wars denn so in Deutschland? Und das ist dein Austauschschüler…Namen über Namen, hier kennt fast jeder jeden – Die französischen Schüler haben unereinander ein engeres Verhältnis, so kommt es mir jedenfalls vor. Allerdings verbringen die Französischen Schüler im Gegensatz zu uns Deutschen den ganzen Tag zusammen, da es hier ja bekanntlich ein Ganztagsschulsystem gibt. Das schweißt die Schüler wohl enger zusammen als unser es unsere Schulform zulässt.
In der Klasse wurde ich Anfangs etwas skeptisch behandelt, was sich aber nach dem ersten Tag legte.

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